von Thomas Röper – https://www.anti-spiegel.ru
Ein weiterer Abrüstungsvertrag ist praktisch Geschichte: Am Freitag haben die USA verkündet, aus dem Open Skies Vertrag auszusteigen. Schuld ist natürlich wie immer Russland.
Die USA haben die meisten Abrüstungsverträge bereits gekündigt. Der ABM-Vertrag machte den Anfang, es folgte der INF-Vertrag und der NEW START Vertrag wird wohl nächstes Jahr auslaufen, die Nato-Russland-Akte ist besteht nur noch auf dem Papier. Und nun ist auch der Open Skies Vertrag an der Reihe. Mehr Abrüstungsverträge gibt es nicht, einem Wettrüsten ist nun Tür und Tor geöffnet, wie seit 50 Jahren nicht mehr, als mit dem ABM-Vertrag der erste Abrüstungsvertrag der Supermächte unterschrieben wurde. Informationen über die genannten Verträge finden Sie hier.
Ich habe schon im November über die Pläne der USA berichtet, aus dem Open Skies Vertrag auszusteigen. Es kommt also nicht überraschend. Ebenfalls nicht überraschend ist, dass die USA Russland beschuldigen, gegen den Vertrag zu verstoßen und das als Vorwand für ihren Vertragsausstieg nehmen. Das Muster ist altbekannt, auch beim INF-Vertrag haben sie es letztes Jahr so gemacht.
Um zu verstehen, was der US-Ausstieg aus dem Vertrag bedeutet und zu wessen Schaden das ist, müssen wir uns den Vertrag kurz anschauen.
Der 1992 geschlossene und 2002 in Kraft getretene Open Skies Vertrag regelt, dass die Länder der Nato und des ehemaligen Warschauer Paktes Beobachtungsflüge über den anderen Vertragsstaaten durchführen dürfen. Es war eine vertrauensbildende Maßnahme, mit der man sich gegenseitig zeigen wollte, dass man keine aggressiven Truppenbewegungen durchführt.
Für Russland und die USA war es eher ein symbolischer Vertrag, beide Länder verfügen über so viele Spionagesatelliten, dass sie auch ohne den Vertrag den „Gegner“ gut beobachten können. Profitiert haben von dem Vertrag all die Länder, die solche Satelliten nicht haben und nur mit den Beobachtungsflügen an Daten über die anderen Länder kommen konnten und können. Zur Beobachtung werden alle möglichen optischen und elektronischen Sensoren eingesetzt.
Und so sind es nun auch in erster Linie die europäischen Länder, die von einem Ende des Vertrages betroffen wären. Die Bundeswehr zum Beispiel führt mit einem umgebauten Airbus 319 solche Flüge über Russland durch. Sollten die USA von den Europäern verlangen, den Vertrag ebenfalls zu verlassen, würde Deutschland keine eigenen Informationen mehr über Russlands Militär bekommen, man wäre komplett von den US-Daten abhängig und davon, dass die USA diese Daten an Deutschland weitergeben. Eine weitere Gefahr einer solche Abhängigkeit von den USA wäre, dass die USA auch falsche oder übertriebene Informationen über die „russische Bedrohung“ weitergeben könnten, die Deutschland nicht überprüfen könnte.
Für die USA hätte das Ende des Open Skies Vertrages also durchaus einen gewissen Charme, denn das würde die Abhängigkeit der europäischen Länder von den USA erhöhen.
Russland könnte nun sagen, dass die USA machen können, was sie wollen, denn Russland kann den Vertrag auch ohne die USA und nur mit den Europäern weiterführen. Da die Europäer aber ihre gewonnenen Daten über die Nato an die USA weiterleiten würden, während Russland solche Daten über die USA nicht mehr sammeln kann, würde Russland sich bewusst in eine schlechtere Situation bringen.
Es wird nun entscheidend sein, ob sich die ganze Nato den USA anschließt und der Open Skies Vertrag begraben wird.
Wie die Entscheidung auch ausfallen mag, die USA wären der Gewinner: Ein Wegfall des Vertrages würde die Abhägigkeit der Europäer von den USA erhöhen, eine Weiterführung des Vertrages ohne die USA würde den USA einen Informationsvorsprung vor Russland liefern.
Die Briten haben bereits Verständnis für den Schritt der USA geäußert, der deutsche Außenminister Maas hat den Schritt vorsichtig kritisiert. Aber das Kritik von Heiko Maas an den USA nur für die dumme Öffentlichkeit gedacht ist, ist bekannt, denn bisher hat er seiner für die Presse geäußerten Kritik nie Taten folgen lassen.
Interessant ist, dass der Schritt der USA sogar unter den Falken in Washington geteilte Reaktionen hervorgerufen hat. Der ehemalige CIA-Chef General Michael Hayden (er ist durch seine Äußerungen im Zuge der Snowden-Enthüllungen einem breiteren Publikum bekannt geworden) nannte den Schritt der USA auf Twitter „insane“ („wahnsinnig“) und fügte hinzu: „Ich war Direktor der CIA“.
Der Falke und als Gegner aller Abrüstungsverträge bekannte John Bolton hingegen sprach auf Twitter von einem „großartigen Moment in der Geschichte der Rüstungskontrolle.
Nun bleibt abzuwarten, wie die Nato-Staaten entscheiden: Bleiben sie in dem Vertrag und führen ihn mit Russland weiter, oder beugen sie sich dem Druck aus Washington, den Vertrag ebenfalls zu verlassen? Die Antwort könnte schon heute bei einem Sondertreffen des Nato-Rates fallen, das zu dem Thema eiligst angesetzt wurde.
Und die Frage ist auch, ob Russland an dem Vertrag festhält, wenn die USA ihn verlassen. Russland muss dann wählen, ob es den Europäern ein Zeichen des guten Willens geben will und den Informationsvorsprung der USA hinnimmt, oder ob es diesen Nachteil als zu groß empfindet und den Vertrag ebenfalls verlässt, auch wenn die europäische Presse das sicherlich zu einer weiteren anti-russischen Kampagne nutzen würde.
Abrüstung? Nein Danke! USA verkünden einseitigen Ausstieg aus dem Open Skies Vertrag
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